Strategie
Sobald die Datenebene geklärt ist, braucht es eine übergeordnete Strategie, die den Rahmen für alle datengetriebenen Vorhaben setzt. Hierbei geht es darum, den Mehrwert zu identifizieren, mögliche Risiken abzuwägen, eine passende Organisationsstruktur zu etablieren und die Implementierung professionell zu gestalten.
2.1 Bewerten
Die Analyse liefert allerlei interessante Informationen – doch welche davon sind für das Unternehmen oder die Einrichtung entscheidend?
- Use Cases
- Konkrete Anwendungsszenarien definieren: Ein Krankenhaus könnte sich auf die OP-Planungsoptimierung fokussieren, um Wartezeiten zu reduzieren und Personal effizienter einzusetzen. Ein Industriebetrieb hingegen könnte das Hauptaugenmerk auf die Qualitätskontrolle legen, sodass Ausschussware sinkt und Kosten reduziert werden.
- Wirtschaftlicher & medizinischer Nutzen: Nicht jeder Use Case liefert einen direkten finanziellen Return on Investment (ROI). Im Krankenhausumfeld steht die Patientensicherheit oft an erster Stelle, die nicht immer direkt in Umsatz gemessen werden kann. Dennoch kann eine bessere Planung langfristig Kosten sparen und vor allem Leben retten.
- Risiken
- Datenschutz & Compliance: Gerade in sensiblen Bereichen wie der Medizin sind Datenschutzverletzungen existenzbedrohend. Hohe Bußgelder, Imageschäden und Vertrauensverlust sind nur einige Folgen.
- Abhängigkeit & Fehlentscheidungen: KI-Systeme, die auf unzureichenden oder fehlerhaften Daten beruhen, können riskante Empfehlungen ausgeben. So könnte eine Automatisierung Schlüsse ziehen, die in der Realität gar nicht zutreffen. Ein falscher Alarm in der Produktion ist zwar ärgerlich, ein verpasster Alarm in der Klinik kann aber fatal sein.
- Mehrwert
- Kurzfristige versus langfristige Perspektive: Manche Projekte zahlen sich relativ schnell aus (z. B. automatisierte Qualitätskontrolle), andere entfalten ihren Nutzen erst, wenn große Datenhistorien vorliegen (Predictive Maintenance).
- Use-Case-Priorisierung: Auf Basis von Risiken und Potenzialen lassen sich priorisierte Listen erstellen, die in eine Roadmap überführt werden. Ein Beispiel: Ein Klinikum erkennt, dass eine lückenlose Vitaldatenanalyse das größte Potenzial zur Komplikationsvermeidung bietet, während ein anderes Projekt, etwa die Auswertung von Laborwerten für Forschungszwecke, mit mittlerer Priorität eingestuft wird.
2.2 Strukturieren
Damit die erkannten Use Cases erfolgreich umgesetzt werden können, muss das Unternehmen sich organisatorisch wappnen. Dazu gehören klar definierte Prozesse, Kompetenzen und Kommunikationsstrukturen.
- Sicherheitskultur
- Mindset: Wenn Datensicherheit als bürokratisches Hindernis betrachtet wird, leidet die Umsetzung. Stattdessen muss sich eine Kultur etablieren, die Datenschutz und IT-Sicherheit als integralen Bestandteil moderner Arbeit wertschätzt.
- Rollen & Verantwortlichkeiten: Wer ist verantwortlich für die Daten? Wer überprüft Zugriffsrechte und sorgt für Updates? Im Gesundheitssektor existieren zumeist Datenschutzbeauftragte, Sicherheitsbeauftragte und medizinische Leitungen, die eng zusammenarbeiten müssen.
- Datenkompetenz
- Schulungen: Ärzt:innen, Pflegepersonal und Mitarbeitende der Verwaltung benötigen oft ein grundlegendes Verständnis dafür, wie Daten generiert, verarbeitet und ausgewertet werden. Nur so können sie korrekte Daten erfassen und die Ergebnisse sinnvoll interpretieren.
- Interdisziplinäres Arbeiten: Insbesondere in der Prozessoptimierung ist es wichtig, dass IT-Fachleute eng mit Produktionsexpert:innen zusammenarbeiten. Daten allein können nicht jeden Kontext abbilden; das Wissen der Fachkräfte im Betrieb ist unersetzlich, um Probleme korrekt einzuordnen.
- Prozesse festlegen
- Ablaufdefinition: Wer liefert wann welche Daten, in welcher Form, und wer wertet sie aus? Wie erfolgt die Freigabe von Berichten oder Handlungsempfehlungen?
- Flexibilität: Gleichzeitig sollte sich die Organisation nicht in starren Prozessen verlieren. Gerade in KI-Projekten ändern sich Anforderungen oft. Ein schlanker Prozess, der iterative Anpassungen erlaubt, ist meist erfolgreicher als ein starrer „Wasserfall“-Ansatz.
- Kommunikation etablieren
- Transparenz: Beteiligte Abteilungen oder Fachgruppen sollten regelmäßig über den Stand von Datenprojekten informiert werden. Ein gutes Reporting kann das Vertrauen in die KI-Lösungen stärken und das Thema Data Governance vorantreiben.
- Sprachliche Brücken bauen: Häufig existieren Fachsprachen, etwa im medizinischen Bereich oder in der Ingenieurswelt, die Außenstehende nicht ohne Weiteres verstehen. Es ist von Vorteil, in gemischten Teams auf eine verständliche Sprache und Dokumentation zu achten.
2.3 Implementieren
Der letzte Schritt der Strategiedefinition ist die konkrete Planung der Umsetzung – von der Prototypenerstellung bis hin zum finalen Rollout.
- Deployment umsetzen
- Technische Infrastruktur: Dazu gehört das Einrichten von Servern, Cloud-Diensten oder Edge-Geräten. Ein Healthcare-Projekt braucht oft Schnittstellen zu vorhandenen Krankenhausinformationssystemen (KIS). In der Fertigung müssen KI-Lösungen in das bestehende MES (Manufacturing Execution System) eingebettet werden.
- Iterative Einführungsphasen: Selten werden KI-Anwendungen sofort für alle Nutzer:innen ausgerollt. Besser ist ein kontrollierter Start in einem Pilotbereich, gefolgt von einer Skalierung, sobald sich das System bewährt.
- Projektmanagement
- Agile Methoden: In vielen Daten- und KI-Projekten haben sich agile Arbeitsweisen (Scrum, Kanban) bewährt. Sie erlauben schnelles Feedback und frühzeitige Korrekturen.
- Stakeholder-Management: Gerade im Gesundheitswesen sind Ärzte, Pfleger:innen, IT-Fachleute, kaufmännische Entscheidungsträger und möglicherweise externe Forschungseinrichtungen beteiligt. Ein transparentes Projektmanagement fördert das Vertrauen und die Zusammenarbeit.
- Qualitätssicherung
- Testprozesse: Bevor KI-Anwendungen in den Echtbetrieb gehen, durchlaufen sie in der Regel umfangreiche Tests mit synthetischen oder historischen Daten.
- Schrittweises Release Management: Größere Änderungen, etwa an einem automatisierten OP-Planungstool, sollten idealerweise in Stufen getestet werden: zuerst in einer Testumgebung, dann in einer kleinen realen Abteilung.